Leserbrief N-2 „Fridolin“ aus Miltenberg/Main

Herr Siebold schrieb am 12.03.2004:

Hallo,

wie Sie vielleicht schon gesehen haben, habe ich heut früh einen Eintrag in das Gästebuch Ihrer tollen Homepage getätigt und dabei Fotos und  einen Aufsatz über mein N2 angekündigt, welches ich einmal als Führerschein-Neuling mit 18 Jahren besaß. Im April werde ich nun schon 60, und ich träume des öfteren nachts immer wieder von den Silberflöhen und fahre dann auch meinen ehemaligen ganz wirklichkeitsgetreu wie vor 42 Jahren! Wenn ich ich dann wach werde, tut es mir jedes mal Leid, Leid auch darum, daß ich mich damals als junger Kerl so einfach von meinem Fridolin getrennt habe. Aber er kommt nicht mehr zurück – SCHADE ! – Das ist eine schöne, aber auch schmerzende Erinnerung, genau wie bei der an die ERSTE LIEBE unter Menschen !!

Ein großer Wunsch von mir wäre, einen Bruder von Fridolin (der noch lebt und fährt!!) mal wiederzusehen und mich vielleicht einmal in ihn hineinsetzen zu dürfen und die Erinnerung zurückzurufen – den Geruch wiederzuerleben, den ich heute noch manchmal in der Nase zu spüren glaube.

Nun habe ich in Ihrer Homepage gelesen, das SIE gerade ein solches Stück voriges Jahr beim Stellmacher zum Rahmenrestaurieren hatten. Ist es denn jetzt fertig – und fährt es auch (mit Zulassung) ?

Sie würden mir  einen großen Herzenswunsch erfüllen wenn ich Sie mal besuchen dürfte (nach vorheriger Absprache natürlich) und ich ein paar Fotos von Ihrem N2 machen dürfte.

In der Anlage finden Sie einige Fotos von meinem Fridolin und eine kleine Geschichte darüber, und ich hoffe, daß Sie damit was anfangen können. Wie gesagt, können Sie auch gerne, wenn Sie wollen, Bilder und auch den Text in Ihrer Homepage veröffentlichen. Die Fotos habe ich bereits verkleinert und auf  eine niedrigere Dateigröße mit Corel Photopaint transformiert, so das eine weitere Verkleinerung wahrscheinlich die Qualität noch mehr verschlechtern. (Wenn Sie wollen, Maile ich Ihnen aber auch gerne die Fotos in voller Größe und Qualität, denn ich habe DSL mit flatrate)

Würde mich riesig freuen, wieder von Ihnen zu hören und ganz besonders wenn ich Ihren restaurierten (wahrscheinlich wieder wie NEUEN) Silberfloh mal besichtigen könnte.

Herzliche Grüße

Wilfried Siebold (geboren und aufgewachsen im „Herzen“ der Rhön)

P.S. Bei meinen alljährlichen Besuchen in der alten Heimat Fulda habe ich enttäuscht feststellen müssen, daß auf dem Betriebsgelände des ehemaligen Herstellers NICHTS mehr auf das Fuldamobil hindeutet (Vielleicht ein kleines Museum oder so) – eigentlich SCHADE !

 

Hallo Webmaster Franz,

vielen Dank für die prompte Beantwortung meiner gestrigen Mail. Ich war der Annahme, das Clubpräsident und Webmaster ein und die selbe Person sind – Sorry! Ich nehme aber an, daß Sie meinen persönlichen Wunsch (bzw. die komplette Mail) an ihn weiterleiten werden, worum ich Sie herzlich bitten möchte. Gegen die Veröffentlichung von Bild und Text habe ich – wie gesagt – nichts; gerne können Sie auch meinen Namen und die e-Mail-Adresse nennen.

Erst nachdem ich gestern meine Mail an Sie abgeschickt hatte, sind mir noch 3 Fotos eingefallen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, u.a. ein Foto vom einzigen Teil meines Fridolin, welches ich über all die Jahre aufbewahrt habe. Es ist das wohl am meisten bewegte Teil aus dem Herzen des Gefährts, nämlich der Kolben, der nach ca. 50 000 km Laufleistung nach der Ausschlachtung zu seiner verdienten Ruhe kam! Die starken Riefen stammen von einem Kolbenstecker, den ich einmal auf der Autobahn  zwischen Mainz und dem Frankfurter Kreuz hatte. Der Motor wurde plötzlich bei voller Fahrt stark abgebremst, die Kette fing an überzuspringen, und nur durch geistesgegenwärtiges Treten der Kupplung konnte ich das Blockieren des Antriebsrades verhindern, was mich vor einem sicherlich folgenschweren Unfall im dichten Autobahnverkehr bewahrte. Da für meine Fahrten ja meist doch nur die rechte Fahrspur in Frage kam, konnte ich gefahrlos rechts raus auf den Standstreifen rollen. Danach besorgte ich mir nach einem Fußmarsch von 1 km am nahegelegenen Rhein/Main-Flughafen an der Esso-Tankstelle ein Döschen Zweitaktöl, da mir entsetzt eingefallen war, daß ich kurz zuvor in Mainz nur normales Benzin – ohne Öl ! – nachgetankt hatte. Da das Motorchen sich während der Dauer meiner Ölbesorgung inzwischen weitgehend abgekühlt hatte, sprang es sogar nach ein paarmaligen Quälen des Dyna-Lichtmaschinenanlassers wieder an – und lief und lief und lief – bis zum Ende seiner Tage! Fahrer und Fridolin also nochmal „Großes Schwein“ gehabt!

Ein weiterer unvergeßlicher Beinahe-Unfall ereignete sich auf dem Rückweg von einer Vogelsberg-Spritztour im Hessischen Lauterbach. Kurz nach der Ortseinfahrt überquerte ich – zum Glück sehr langsam – einen Bahnübergang und  bemerkte plötzlich geschockt, daß das Wägelchen nicht mehr geradeaus lief! Eine Vorsehung war, daß sich auf der anderen Straßenseite eine Tankstelle befand, die ich, da zum Glück kein Gegenverkehr herrschte, unvermittelt ansteuerte. Nach dem Aussteigen meines Beifahrers deutete dieser auf das ganz schief hängende rechte Vorderrad. Nach Anheben der Karosserie (war ja nicht all zu schwer!!) und leichtem Bewegen des Rades hatte ich dieses, abgezogen von der Achse, mit samter Bremstrommel in der Hand – begleitet von einer Gänsehaut, die mich jetzt beim Erzählen genau wie damals wieder befällt!

Mein – im wahrsten Sinne des Wortes – „menschlicher“ Wagenheber hielt durch und behutsam ließen wir Fridolin auf den Boden nieder. Was war geschehen? Der Splint von der Achs-Kronenmutter war gebrochen and hatte dieser somit „freien Lauf“ gegeben. Wäre die Tankstelle in Fahrtrichtung rechts gewesen, hätte ich diese wohl nicht mehr erreicht, denn nur durch das plötzliche Linkseinschlagen der Lenkung in Richtung Tankstelle wurde das  Rad wohl wieder ein Stück auf die Achse zurückgeschoben und so der Verlust vermieden. Unvorstellbar, was passiert wäre wenn sich das Rad bei der kurz vorher stattgefundenen Talfahrt bei 70-80 km/h gelöst hätte!! – Der Liebe Gott  hatte wieder mal rechtzeitig einen seiner besten Schutzengel geschickt!! – Zwei Finger voll frisches Staufferfett und ein neuer Splint (wir waren ja „an der Quelle“), Rad wieder aufgesteckt und gesichert, und weiter ging die Fahrt in unsere und Fridolins Heimatstadt Fulda.

Hoffentlich langweile ich Sie nicht mit meinen „haarstreubenden“ Erlebnissen! – Könnte noch einige Storries erzählen aber für heute soll´s reichen. Vielleicht ein andermal mehr! 🙂

Würde gerne Ihrem “ Freundeskreis Fuldamobil “ beitreten, auch wenn ich (leider leider!) kein Fuldamobil mehr besitze.

Hoffentlich geht das !

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen und allen Fumo-Liebhabern:

Ihr Wilfried Siebold (wohnhaft seit 25 Jahren in einem Vorort von Miltenberg/Main)

Fragen dazu? MAIL

Steckbrief zu FRIDOLIN:

 Es handelte sich bei Fridolin um ein Versuchsmodell mit einem 175 ccm Sachs-Motor, gebaut in Fulda im Jahre 1953. Mein Vater erwarb es noch im gleichen Jahr und war damit 7 Jahre tagtäglich als Außendienstmitarbeiter einer Versicherung bei jedem Wind und Wetter, auch im tiefsten Winter, in der Rhön und im damaligen Kreis Hünfeld unterwegs – ohne nennenswerte Pannen!

 Einmal rutschte er in Fulda auf einer Ölspur, wobei sein Fuldamobilchen gegen einen Laternenmast schleuderte und dabei eine Holzrahmenfraktur mit entsprechendem Blechschaden am rechten Hinterteil erlitt. Das zahlte zum Glück die Versicherung des Ölspurverursachers.

 Eine größere Reparatur war einmal fällig, als das Antriebsritzel im Motor so sehr abgenutzt war, daß trotz angespannter Kette diese bei Last die Zähne übersprang und fürchterlich ratschte. Da auch dieser 175 ccm-Motor mit integriertem Getriebe ein Prototyp gewesen sein mußte, konnte ihm der damalige Meister des Elektromaschinenbau Fulda, Herr Zinser, nicht mehr weiterhelfen, da es ein Ersatzritzel nicht gab. Er schickte ihn deshalb mit dem Fuldamobil direkt ins Fichtel & Sachs – Werk nach Schweinfurt, wo man ihm dann für sein Antriebsaggregat eigens ein neues Ritzel anfertigte und zusammen mit einem neuen Hinterradzahnkranz samt neuer Kette einbaute, die dann bis zur Ausmusterung des Fahrzeugs durchhielten. Da nach Schweinfurt Mutter und ich mitwollten, vorne der Platz aber für Drei nicht reichte, mußte ich als 11-Jähiger zusammengerollt liegend „auf der Hutablage“ sprich hölzernen und gut beheizten Motorabdeckung Platz nehmen, und so wurde dieser Tag für uns alle zu einer erlebnisreichen „Fernreise“. – So fuhren wir aber immer wenn wir zu dritt irgend wohin wollten!! Vielleicht wurde durch die dabei zwangsläufige Nähe zum Motor auch mein Erinnerungsvermögen an dessen Sound und Geruch so nachhaltig geprägt! 🙂

 Außer einer Kupplung, Bremsbelägen, Unterbrecherkontakten, durchgescheuerten Seilzügen, eines Auspuffs und einer (damals schon recht teueren) riesigen 12V-Batterie, fielen weiter keine nennenswerten Reparaturen an, was bei der enormen Beanspruchung und doch relativ hohen km-Leistung schon beachtenswert war!

 Als sich mein Vater 1959 ein Goggo-Coupe zulegte, übernahm mein Bruder für ein Jahr das abgelegte Fuldamobil und machte damit seine ersten Fahrerfahrungen bis er dann zu einem gebrauchten vierrädrigen Alu-Ei mit halbem senkrecht stehendem Brezelfenster überwechselte.

 Das N2 stand dann bei uns im Hof und wurde von mir – so weit ich es konnte – überholt und „aufgemozt“, d.h. mit Herdweiss auf Hochglanz gebracht, mit rotem und schwarzem Lack und Silberbronze farbgefinished und mit einigem Schnickschnack versehen, wie Ventilator, Diesel-Anlasserschalter und div. Zugschalter und Lämpchen vom Schrottplatz. Einen Chromauspuff von einer 200er Adler, ersetzte den alten, und das Stoplicht mit Nummernschildbeleuchtung in der Heckmitte tauschte ich gegen eines vom Goliath aus. Aus schwarzem Lenkerband entstanden „sportliche“ Streifen und an der Stoßstange montierte Peilstangen waren gut für die Breitenübersicht und fürs Einparken. Hin und wieder wurde Fridolin dann von mir auf und ab durch den Hof gejagt, da ich noch keinen Führerschein hatte.

 Aber dann, am 18. Geburtstag, als ich meinen zuvor schon erworbenen Führerschein (mit dem Fahrrad) in Fulda abgeholt hatte, gab es kein Halten mehr! Da ich schon durch die Hof- und sonstigen Schwarzfahrten auf Feldwegen (mit dem älteren Bruder nebendran) sehr vertraut  mit dem Wägelchen war, fuhr ich mit durchdrehendem Hinterrad aus dem mit Splitt bestreuten Hof in die Freiheit, die ich meinte! Seit diesem Tag hatte meine Mutter nun eine Sorge mehr!! – Doch ich enttäuschte sie nicht und lernte – wohl unter den härtesten Bedingungen mit Seilzugbremse, dem dritten Rad in der Mitte bei Eis und Schnee, zu schwacher Beleuchtung bei Nacht und nicht gerader komfortablen Sitzeigenschaften bei sau-harter Federung, im lautstarken, nicht heizbaren Innenraum, das Autofahren!

 Das oft hämische Grinsen anderer Autofahrer und Großraumlimousinenlenker, die mich am Berg, wenn´s meist nur im Zweiten, manchmal auch nur im Ersten ging, so lässig überholten, ließ mich kalt. Ich kannte es ja schon von den Fahrten wenn ich mit meinem Vater manchmal in den Ferien unterwegs war. In Fulda und um Fulda herum war der Silberfloh ja bekannt, aber wehe man kam in der Fremde mit dem Autochen zum Stehen! – Staunende, neugierig fragende, spöttische und mitleidige Menschen lernte man da immer sehr schnell kennen. Aber ich genoß es und war ganz stolz auf meinen ersten (wenigstens bezahlten) fahrbaren Untersatz!

 Ich fuhr mit diesem Gefährt (auch als Schlagloch-Suchgerät, Nuckelpille und Flottomobil oft verspottet) über ein Jahr lang fast alle 14 Tage insgesamt ca. 20 000 km zwischen Fulda und Frankfurt (wo ich nach einer beruflichen Versetzung meinem 2. Wohnsitz hatte) hin und her und  natürlich auch im gesamten Rhein/Maingebiet, und hatte nie eine Panne, nach der ich nicht habe weiterfahren können! Von Frankfurt nach Fulda (110 km) benötigte ich ca.: 3 – 3,5 Std. ! – Am schlimmsten war immer die Steigung über die Wasserscheide am Distelrasen hinter Schlüchtern (ca. 3 km im 2. Gang mit 25 km/h).

 Doch ich fuhr gern nach Hause – dann aber auch gern wieder zurück in die Großstadt, wo ich natürlich immer automatisch die Blicke auf mein Geschoß geradezu anzog und auch durch meine nicht gerade zimperliche Fahrweise anlockte.

 Ein Streifenwagen der Frankfurter Polizei verfolgte mich einmal bis aufs oberste Parkdeck eines Parkhauses und  blieb dann neben mir stehen, wobei es mir ganz schön mulmig wurde. Hatte ich eine rote Apel mißachtet, war ich zu schnell gefahren? Haben die  vielleicht gesehen, daß zuvor beim zu schnellen Rechtsabbiegen ein Vorderrad vom Boden abhob? – Das fragte ich dann auch kleinlaut die beiden Beamten durch mein geöffnetes Schiebefenster. „Können Sie bitte mal aussteigen“ sagte der aus dem Auto ausgestiegene Polizist von oben herab durch das offene Dachfenster – in einem von mir gar nicht erwarteten überaus freundlichen Ton! – „Wir wollen uns nur Ihren Fridolin mal näher ansehen!“ (Woher wußten sie den Namen ? – Ach so, sie konnten ihn ja nach der „Verfolgungsjagd“  über 5 Stockwerke bequem vom Heck ablesen) – „Aber keine Angst, nicht dienstlich“ beruhigte mich der Beamte. Mir fiel ein Stein vom Herzen und trotzdem vernahm ich noch ein leichtes Zittern in meinen Knien als ich aus dem tiefliegenden Sitz geklettert war und leicht verdutzt vor den beiden Uniformierten stand.

 Es waren nur zwei neugierige, technisch interessierte Polizisten, die auch verdutzt waren als sie den ihnen unbekannten Silberling auf der „Zeil“, die damals noch Hauptdurchgangsstraße der Frankfurter City war, vor sich her fahren sahen. Noch verdutzter aber waren sie, als ich ihnen Motor und Antrieb zeigte und ihnen die technischen Daten nannte. – Da war er wieder – mein Stolz auf Fridolin (den Namen hatte ihm meine Freundin ganz spontan gegeben, als sie sich erstmals in das Auto herabgelassen ? – nein, muß heißen: hinuntergelassen hatte) Voller Stolz erklärte ich den Polizisten dann auch noch, daß der Wagen 8 Gänge habe! „Was, 8 Gänge !??“ – „Ja, 4 vorwärts und die gleichen 4 – über ein kleines mechanisches Zwischengetriebe rückwärts!“ – Die Beamten staunten und sahen sich mit offenen Mündern an! – „Is´ ja der Wahnsinn!“. Nachdem ich ihnen dies durch eine Rückwärts-Anfahrt bis in den 3. Gang auf  dem fast leeren Parkdeck vorführte, haben dann beide auch mal „Probe“ gesessen und sind dann, glaube ich, gern wieder in ihren Streifenwagen umgestiegen – nicht aber ohne sich vorher vielmals zu bedanken und mir „allzeit GUTE FAHRT“ gewünscht zu haben.

 Ja, ja, wenn man sich so zurückerinnert, könnte man glatt ein Buch über die Erlebnisse mit dem Fuldamobil schreiben!

 Ich hoffe, lieber Leser, daß aber auch diese Kurzgeschichte Sie ein wenig zum Schmunzeln gebracht hat und Ihnen vermitteln konnte, wie schnell und wie sehr man mit solch einem exotischen Fahrzeug schon vor 40 Jahren plötzlich im Interesse der Öffentlichkeit stehen konnte. 

Ich würde es heute liebend gern immer noch, wenn Fridolin nicht meinem bastelfreudigen Vater mit seiner Axt zum Opfer gefallen wäre!

 Ein ehemaliger Fuldamobil-Fahrer (von denen man ja zu Recht behaupten kann, daß sie neben den Trabi-Fahrern zu den Härtesten gehörten und es am schwersten hatten !!)